Livia, 13

NZZ
Speziell an «Livia, 13» ist die Tatsache, dass die vier jungen, allesamt überzeugenden Schauspieler(innen) ihre Rollen ständig untereinander tauschen, wodurch die Grenze zwischen Opfer und Tätern verschwimmt. Immer wieder wird auch eine einzige Figur von verschiedenen Schauspielern verkörpert und so ihre innere Zerrissenheit deutlich gemacht. Besonders eindrücklich kommt dies am Beispiel von Livias Vater zum Ausdruck – in dem Moment, als er die Fotos zu sehen bekommt: Ärger über die Tochter mischt sich mit Angst um seinen Lehrerjob und dem Gefühl, als Vater versagt zu haben. Dass das Gesicht des jeweils sprechenden Schauspielers riesengross auf den Bühnenhintergrund projiziert wird, macht einen als Zuschauer umso direkter betroffen.

«Livia, 13» ist ein Theaterstück, das nahegeht, indem es die Nöte von Jugendlichen in unserer übersexualisierten Gesellschaft greifbar macht.

Trotz der ernsten Thematik gibt es jedoch in der Aufführung durchaus auch witzige Momente: etwa wenn die prüde Lehrerin mit ihren Schülern über die Vorfälle sprechen will und sich ihre Stimme dabei überschlägt.

Anne Suter, NZZ

Tages- Anzeiger
Livia, 13 zoomt uns mitten in den Alltag von fünf Jugendlichen und zeigt uns das, was man früher die „Banalität des Bösen“ genannt hätte.

Gubler inszeniert pures Tagebuchtheater ohne Spektakel. Auf spartanischen Hockern gehen die fünf Möchtegern-Erwachsenen an der Rampe die Zeit vor und nach dem Partydesaster durch. Eine Live-Kamera sorgt für ausdrucksvolle Close-ups wie bei einer Nachmittags Talk-Show. Das sugggeriert Nähe und Distanz zugleich, genauso wie das Spiel mit den wechselnden Rollen. Anna-Katharina Bartel, Michèle Hirsig, Maria Spanring und Samuel Eisenring springen mit sichtlicher Lust zwischen kaltschnäuzig beschränktem Machismo, Feigheit, Verzweiflung und Rebellion hin und her. Hinter dem munteren Maskentreiben raunt die Inszenierung die brechtianische Frage: Und was würdest du tun?

Alexandra Kedves, Tages-Anzeiger